„Ich wollte eigentlich schon viel früher wieder einmal hierher kommen und ich würde auch gerne viel öfter hier in dieses Haus kommen“, meinte Bezirksbürgermeisterin Annette Schwolen-Flümann in ihrem Grußwort anlässlich der Eröffnung der Ausstellung am 27. Februar. Deshalb freue sie sich um so mehr, jetzt bei dieser Vernissage im Haus der Begegnung dabei sein zu können. Bad Godesberg sei sehr froh darüber, die beiden im Haus der Begegnung beheimateten Institute, das Pädagogisch-Theologische Institut und die Evangelische Akademie im Rheinland, im direkten Umfeld zu haben. „Wir schätzen ihre Arbeit“, unterstrich sie, und bezog das sowohl auf die Art und Weise, wie hier Konzepte und Lösungsvorschläge für pädagogische oder gesellschaftliche Fragen erarbeitet würden als auch im Hinblick auf die Impulse, die in der unterschiedlichsten Weise vom Haus der Begegnung für Bad Godesberg ausgingen.
Fotoprojekt „Das Kreuz“ – ein Nachbarschaftsprojekt
Ein „Nachbarschaftsprojekt“ im besten Sinne sei diese Ausstellung meinte Professor Dr. Gotthard Fermor, Direktor des Pädagogisch-Theologischen Instituts, bei der Vernissage mit Blick auf die beteiligten Akteure.
Die sieben großformatigen Kreuzwegstationen hat die evangelische Jugend der Thomas Kirchengemeinde unter der Regie ihres Jugendleiters Rainer Steinbrecher szenisch gestaltet. Der Lokalhistoriker Dr. Martin Ammermüller hat für die Realisation Orte in Bad Godesberg vorgeschlagen, der Bonner Theaterfotograf Thilo Beu schließlich hat die Szenen fotografisch umgesetzt. Und am Abend der Vernissage begleiteten insgesamt 11 Trommlerinnen und Trommler der Percussionsgruppe des Bad Godesberger Amos-Comenius-Gymnasiums unter Leitung ihres Musiklehrers Dietmar Dietrich die Vernissage.
„Religion muss sich verorten“
„Religion muss sich verorten“, betonte Professor Fermor, der für das Haus der Begegnung die Gäste der Vernissage begrüßte. Das Projekt der evangelischen Jugend der Thomas-Kirchengemeinde tut dies in mehrfacher, ganz unterschiedlicher Weise:
- „Das Kreuz“ stellt Bezug von biblischer Aussage zur heutigen Lebens.- und Glaubenswelt von Jugendlichen her
Fast 1950 Jahre liegen zwischen den neutestamentlichen Texten des Markus-Evangeliums und der Erfahrungswelt der 14 bis 17 Jährigen, die dieses Fotoprojekt unter der Regie von Jugendleiter Rainer Steinbrecher 2011 gestaltet haben. Jeder der dreizehn Jugendlichen bekam eine bestimmte Rolle in den Szenen. Damit ihr Rollenspiel gelingen konnte, mussten sich die Jugendlichen intensiv mit den Bibelstellen auseinandersetzen und sich in die jeweilige Person hineinversetzen. Er habe sie ermutigt, so Steinbrecher, ihre Empfindungen und Gefühle in ihre Darstellung einzubringen. So haben die Jugendlichen zu den bekannten Bibelpassagen zu Passion und Kreuzigung einen neuen Zugang gefunden. Die Schilderungen wurden im eigenen Tun erlebbar und damit viel unmittelbarer nachvollziehbar. - „Das Kreuz“ stellt Verbindungen zwischen biblischer Situation und historischen und aktuellen Bezügen her
Die andere Weise: Das Projekt der evangelischen Jugend der Thomaskirchengemeinde hat bewusst das Lebensumfeld der Jugendlichen, Bonn-Bad Godesberg, als „Schauplatz“ gewählt. Möglichen aktuellen oder geschichtlichen Bezügen zur biblischen Passionsgeschichte wurde an Godesberger Orten nachgespürt. Die Verleugnung des Petrus (Mk 14, 66-70) wurde z.B. am Moltkeplatz platziert. Verleugnung, wenn auch nicht in der biblisch-existentiellen Dimension, ist dort auch heute anzutreffen: Seit etwa 100 Jahren wird am Moltkeplatz Markt abgehalten. Der Markt ist ein Treffpunkt für die Godesberger, die hier einkaufen und Neuigkeiten austauschen. „Oft werden aber auch unangenehme Fragen gestellt, wie zu der beruflichen oder schulischen Entwicklung oder zu dem Partner dem Freund oder der Freundin., so der Lokalhistoriker Ammermüller.
Oder für die Szene der Verhaftung Jesu (Mk. 14, 44-47) wurde der Redoutenpark mit seinem alten Baumbestand ausgewählt – ein Ort, der zum Ausruhen einlädt und darin dem Garten Gethsemane in der Passionsgeschichte ähnelt. - „Das Kreuz“ bezieht die Bürger des Stadtteils in das Projekt mit ein
Und noch eine dritte Weise: Dieses gelungene Beispiel gemeindepädgogischer Praxis hat die Bad Godesberger Bürgerinnen und Bürger in den Projektverlauf einbezogen. Als Passanten sind die Godesberger Zeuge seiner Entstehung geworden, z.B. an der Kreuzung Aennchenplatz, wo die Jugendlichen mit dem Kreuz die Ampel überquerten und damit die Aufmerksamkeit der Umstehenden erregten. „Das ihr euch das traut“, habe einer der Passanten gesagt, berichtete Rainer Steinbrecher auf der Vernissage. Es sei schon ein Experiment gewesen, mit einem großen Holzkreuz von Station zu Station zu ziehen. Aber so seien die Jugendlichen auch auf eine direkte Weise herausgefordert worden, sich mit ihrem Glauben und ihren Glaubensvorstellungen auseinanderzusetzen.
Vernissage eröffnete unterschiedliche Wege, sich den Bildern zu nähern
Diese unterschiedlichen Aspekte des Projekts brachte die Vernissage zur Sprache. Anknüpfend an die Tradition des Kreuzwegs gingen die Besucherinnen und Besucher gemeinsam mit Pfarrer Siegfried Eckert von der Thomas-Kirchengemeinde, Jugendleiter Rainer Steinbrecher und Lokalhistoriker Ammermüller von Bild zu Bild. Sie gaben zu den einzelnen Szenen Einblicke aus Sicht der Jugendlichen und des Projekts (Rainer Steinbrecher), aus lokalhistorischer Sicht (Dr. Ammermüller) und aus theologischer Sicht (Pfarrer Siegfried Eckert). So eröffneten sich den Anwesenden unterschiedliche Wege, um sich den Bildern zu nähern. Mit ihrem Trommelrhythmus gab die Percussionsgruppe des Amos-Gymnasium dem Bedrängenden des Kreuzweges eine bildhafte, musikalische Sprache.
Über das Foto-Projekt „Das Kreuz“
Ausgangspunkt waren die vielen künstlerischen Bearbeitungen des Kreuzwegs, der Darstellung des Leidensweg Christi. Der Kreuzweg ist ein zentraler Bestandteil in der Christlichen Theologie. Durch bildliche oder figürliche Darstellungen werden die letzten Tage und Stunden Christi nachvollziehbar und erlebbar.
Kreuzwegstationen – in Bonn-Bad Godesberg neu „verortet“
Bei ihrem Fotoprojekt „Das Kreuz“ hat die Evangelische Jugend der Godesberger Thomas-Kirchengemeinde diese Tradition aufgegriffen. Die Jugendlichen haben die biblischen Texte zu den sieben Kreuzweg-Stationen in heutige Bilder übertragen und dafür bewusst Orte in Bad Godesberg ausgewählt, um so aktuelle oder geschichtliche Bezüge zu den unterschiedlichen Situationen herzustellen.
Gekleidet in Schwarz und Weiß präsentieren sich die Jugendlichen mit einem großen Holzkreuz an belebten Orten in Godesberg – wie z.B. an der Rheinpromenade oder dem Moltkeplatz. Sie heben sich dramatisch ab vom Alltagsgeschehen und beziehen doch Passanten automatisch in ihr Spiel mit ein. Jeder, der ihnen begegnet, wird Zeuge.
… und auf großformatigen Bildern festgehalten
Der Fotograf Thilo Beu hat die Jugendlichen begleitet und die Szenen im Bild festgehalten – Ausgangsbasis für die sieben Bilder im Format 2 x 3 Meter, die jetzt als Wanderausstellung im Haus der Begegnung zu Gast sind.
Eine Einladung, selbst in die Bilder einzutauchen
Jedes Bild besteht aus einem Triptychon, das eine Station des Kreuzweges zeigt. Der aufgestellte Weg soll den Betrachter einladen, in die Situationen „einzusteigen“.
Man kann nah herantreten und in ein Bild eintauchen, um Gefühle, Emotionen und auch kleine Geschichten der Darstellerinnen und Darsteller zu entdecken.
Mitwirkende bei dem Foto-Projekt „Das Kreuz“:
Emilie Bechtold, Sina Beßlich, Alina Buttler,, Leona Ebel, Manuel Esser Caro Müller, Jenny Müller, Felizitas Schäfer, Max Sieger, Franka Stroh, Lina Stroh, Fine Wormstedt, Jacqueline Wulf
Fotografien:
Thilo Beu
Historische Unterstützung:
Dr. Martin Ammermüller
… und last, but not least
„Das Kreuz“ freut sich auch über Einladungen in andere Häuser:
Das Fotoprojekt „Das Kreuz“ ist als Wanderausstellung konzipiert. Für weitere Auskünfte steht Ihnen die Evangelische Thomas-Kirchengemeinde Bonn-Bad Godesberg gerne zur Verfügung.