(P)FUNDstück: Kummer aller Art

Von Mariana Leky

Gefunden von Isabel Schneider-Wölfinger im Juli 2024

Eine Sommerferien-Lektüre

Mariana Leky beschreibt in kurzen Geschichten den Alltag von Verwandten, Nachbarn, Freunden und Kindern. Die Leute sind manchmal ein bisschen merkwürdig. Oft haben sie Sorgen, oder sie sind verliebt, haben einen Hund mit Namen Lori, ärgern sich über die Schule oder ziehen um. Eigentlich ganz normale Sachen, aber so wie Frau Leky das beschreibt, ist es lustig und witzig und auch ein bisschen verrückt. Es macht viel Spaß, die kleinen Geschichten zu lesen. Gerade richtig für die Sommerferien.

Die Autorin erfindet so schöne Wortspiele wie „Wackelkontakt mit der Realität“ oder „Dann fliegt die Tür auf, zeitgleich mit der Tür zu Katjas Herz“. Der Wackelkontakt wird durch das plötzliche Nicht-mehr-Dasein des Briefkastens ausgelöst, die beiden Türen öffnet der Schlüsseldienst. Feinsinnig, auch hintersinnig, mit einem untrüglichen Instinkt für das Schräge in alltäglichen Situationen, veröffentlichte Mariana Leky zunächst die kurzen Geschichten als Kolumnen in der Zeitschrift „Psychologie heute“.

Kummer aller Art beschäftigt die Menschen um sie herum, wobei sie als Ich-Erzählerin sich selbst einbezieht, mal in die Probleme, mal in die Lösung, immer aber empathisch und mit einer gehörigen Portion Menschenliebe. Dem einen gelingt das Meditieren nicht, weil es zwar „äußerlich blitzblank ist, innerlich aber wie bei Hempels unterm Sofa aussieht.“ Für die anderen bedeutet gute Freundschaft „Zeugenschaft, Anfeuerung, Beistand, Vertrauen“ und der Verzicht auf eine nervige Vogeluhr. Der Auszug aus einer Wohnung kann schon zur existentiellen Frage werden, selbst wenn man bei dem geliebten Menschen einzieht.

Die fein gezeichneten Figuren wachsen einem ans Herz, tauchen sie doch immer wieder auf: z.B. die Nachbarn Frau Wiese und Herr Pohl oder Onkel Ulrich, der Psychoanalytiker ist und für manche Überraschung gut. Nein, er ist es nicht, der den Waschzwang hat. Aber die Pflegerin lernt jetzt Französisch, der Orthopäde lässt einen ins Knie hineinspüren, und die Unannehmlichkeiten durch verspätete Züge sind zu bewältigen. Und dann gibt es noch Kinder und die eigene Kindheit. Allesamt sind die Menschen mit ihren großen und kleinen Begebenheiten, ihrem Kummer aller Art, perfekt zur liebevollen Analyse.

Mariana Leky schärft den Blick, in jeder noch so vermeintlich banalen Situation das Besondere zu entdecken, die Dinge vielleicht einmal aus einer anderen Perspektive zu betrachten, mit einem Over View sozusagen. Selbst wenn man keinen Freund hat, der aus Australien zu Besuch ist und die Dinge anders sieht, könnte man erkennen, „dass mir bereits in der Kindheit die Brille angepasst wurde, durch die ich meine Familie sehe, so wie sie angeblich ist und angeblich immer sein wird.“ Es gibt viele Hinweise, Dinge, sich selbst und das Leben in Frage zu stellen, aber immer es beherzt anzunehmen. In den Sommerferien kann man direkt damit beginnen und „Zeuginnen von Glück und Unglück“ sein. Das macht richtig viel Vergnügen.

  • Dr. Isabel Schneider-Wölfinger