Achim Maaz gehört zu jenen absolut eigenständigen Künstlern, wie man sie heute, selbst im Bereich der so genannten Outsider Art immer seltener findet. Sein Werk entsteht, soweit ich dies sehen konnte, in völliger Abwesenheit von den Einflüssen professioneller Förderung. Seine Entwicklung zu einem solch hohen Grad an künstlerischer Autonomie verdankt sich, wenn überhaupt, vielleicht allein dem innigen Dialog mit einer einzigen Person, die seine Botschaften in persönlicher Integrität und großer Zurückhaltung entgegennehmen konnte und sie so ermunterte, hervorlockte: der Kunsttherapeutin Beate Woitzik, die seine Arbeit lange begleitet hat. Das ist nicht nebensächlich, zufällig. Ganz offensichtlich sind diese intimen, häufig fragmentarisch bleibenden Zeichnungen nicht für ein großes Publikum geschaffen, nicht als ein ästhetisch-rhetorisch ambitioniertes Projekt angelegt, sondern dienen allein der Einrichtung des eigenen Innenlebens. Sie verdinglichen, vergegenständlichen ein gedankenvolles, stilles Leben und halten es so ins Lot.
Bis zu einem gewissen Grad. Denn auch in den Bildern herrscht Zurückhaltung, Vorsicht. Verhalten treten sie heraus aus dem Schweigen, aus einer fast hermetischen Stille und Absonderung, die den Menschen Achim Maaz sonst umgibt. Und immer auch tragen sie seine Verwunderung mit sich, über die Grunderfahrung des Schöpferischen: dass Bilder, als die Resonanzkörper einer an sich selbst vollkommen körperlosen Innenwelt, sich überhaupt materialisieren können. Dies Rätsel der Bildwerdung, der „Bildsamkeit“ des Menschen, ist ihr Thema. Das – so spürt man – mag eine überwältigende Urerfahrung für Achim Maaz gewesen sein, für die er nun, von Bild zu Bild, nach immer neuer Verwirklichung sucht.
Alles an diesen Zeichnungen, ihre Motivwelt, die Art der Darstellung, das verwendete Material und dessen technischer Gebrauch, zeugen von der originären Erfindung eines Künstlers, mit der das visuelle Medium des Bildes fortwährend angeeignet wird – zu Etwas umfunktioniert wird, was Achim Maaz für sich selber braucht und was man einen „Bildkörper“ nennen müsste. Einen Körper, nicht mehr als massives, widerständiges, schwerfälliges Objekt, Fleisch und Blut, sondern als einen febrilen, schwingenden Träger der eigenen, stets flüchtigen Gedankenwelt. Wenn wir also über die Qualität des Werkes von Achim Maaz sprechen, müssen wir zuerst von diesen Erfahrungen sprechen, die es so einzigartig machen und für die er sein einzigartiges künstlerisches Verfahren schuf.
Mit weichen, breiten Bleistiftstrichen vorgezeichnet, entwirft Maaz zunächst einen Grundriss. Vielfache Parallellinien, Überschneidungen, Koordinaten oder Konstruktionslinien ziehen dann die Bildfläche an einigen Stellen stärker zusammen und verdichten sie linear. Diesen Linienknoten treten die Farbmassen, Flächen aus Grafit, Farbstift oder seidenglänzender Kugelschreibertinte gegenüber. Der Kugelschreiber, dies kalte, nüchterne Schreibgerät, bringt mit seiner harten Spitze eine kratzende Begleitmusik auf der Unterlage unter den meist dünnen Zeichenpapieren hervor. Die Dünnhäutigkeit (Transparenz) dieser formatlosen, außerformatigen (und oftmals rückseitig angestückten) Blätter vermag die Luzidität des Geschehens zu übertragen: Der Strich drückt sich durch das Papier und bildet das Bild, nun seitenverkehrt, auf dessen Rückseite ab. Ein Spiegelbild (?) entsteht. Zugleich dringen die Linien durch die Oberfläche bis tief in die Materialität des Bildträgers aus Zellulose ein und eignen ihn sich vollständig an. So entsteht ein körperhaftes Gegenüber (ein Objekt), das sich oft vollständig mit dem gezeigten Motiv, dem menschlichen Körper, deckt.
Diese gezeichneten Körper von Maaz scheinen meist wie herausgeschält und unter dem Brennglas der Isolation betrachtet. „Weil, wenn abgesondert so sehr die Gestalt ist, die Bildsamkeit herauskommt dann des Menschen.“ (1) Zugleich bleiben sie undifferenziert, manchmal fragmentarisch, torsohaft, ohne Arme, manchmal unvollendet. Figuren, eingesperrt in einen Körper. Dies ist die andere, die Außen-Sicht, die sich unwillkürlich ebenso spiegelt.
(1) Friedrich Hölderlin, In lieblicher Bläue; nach: Friedrich Wilhelm Waiblinger: Phaëthon. Stuttgart 1823.
Über den Autor
Klaus Mecherlein, M.A., München
ist Leiter des atelier hpca, einer Ateliergemeinschaft für Künstler mit geistiger Behinderung im Heilpädagogischen Centrum Augustinum in München. Initiator und Kurator des Europäischen Kunstpreises EUWARD. Seit 2000 diverse Publikationen zur Kunst geistig behinderter Menschen und zur Gegenwartskunst.
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Über die Ausstellung
Lebensgroß
Achim Maaz. Zeichnungen
Ausstellung im Haus der Begegnung
22. März bis 21. Juni 2012
Ausstellungsorganisation
Gabriele Hünninger
Kunstpostkarte
In der Reihe „KUNST im Haus der BEGEGNUNG“ ist eine Kunstpostkarte mit einem Werk von Achim Maaz. Die Postkarte ist beim Empfang im Haus der Begegnung kostenlos erhältlich.
Haus der Begegnung
Evangelische Akademie im Rheinland
Pädagogisch-Theologisches Institut der Evangelischen Kirche im Rheinland
Mandelbaumweg 2
53177 Bonn